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Zehntausend Stunden

Storytelling für B2B: So erzählen Sie gute Geschichten

Storytelling für b2b ist eigentlich ganz einfach. Denn wir tun es instinktiv. Trotzdem hilft es, die Regeln für wirkungsvolles Storytelling zu kennen.

Wenn ich mir vorstelle, dass ich Geschäftsführerin eines kleinen oder mittleren Unternehmens wäre – dann würde ich beim Stichwort „Storytelling“ wohl misstrauisch werden.

Denn ich hätte den Verdacht, dass mir mit diesem Begriff Kommunikations-Dienstleistungen verkauft werden sollen, die komplizierter aussehen als sie sind. Ich würde mich fragen, ob „Storytelling“ nicht einfach nur ein Buzzword ist? Das verkaufsfördernde Summen einer Tüte Mücken?

Und das wäre eine sehr berechtigte Frage.

Denn „Storytelling“ ist ein Etikett für etwas, das wir im Privatleben alle machen – und zwar instinktiv. Wir holen aus jeder Begebenheit, die wir weitererzählen, das Maximum an Dramatik, Spannung, Empörungspotenzial oder Witz heraus. Selbst Understatement dient der Wirkung unserer Geschichten.

Preistreibende Missverständnisse zum Thema Storytelling für B2B

Es gibt gute und weniger gute Geschichtenerzähler, aber wir alle erzählen Stories – unseren Freunden und Bekannten, unseren Familienmitgliedern und uns selbst.

Doch wenn Unternehmen offiziell kommunizieren, dann gibt es ein (teilweise gewolltes, weil preistreibendes) Missverständnis: Dass Storytelling sehr schwierig ist. Weil jede Geschichte ein monumentales Epos sein muss.

Aristoteles’ Drama-Struktur und Shakespeares fünf Akte: Drunter tun es manche Kommunikations-Berater nicht. Oder sie sprechen von „Emotionalität“. Auch irritierend, weil man da schnell an Taschentuchalarm denkt.

Gerade für kleinere Unternehmen und solche mit hochspezialisierten B2B-Produkten oder -Dienstleistungen klingt das befremdlich: Was haben Aristoteles und Shakespeare mit dem Verkauf von Schrauben, mit der Programmierung von Medizin-Software oder dem Putzen von Hochhaus-Fenster zu tun? Und wo ist da die „Emotionalität“?

Storytelling muss sein – auch B2B

Um die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen und es dazu zu motivieren, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten, braucht es Geschichten.

Aber warum können uns Geschichten rühren, amüsieren und zu Impulskäufen, Heldentaten und sogar zu Verbrechen motivieren, während uns angesichts nackter Fakten schnell die Lider schwer werden?

Die neurochemische Wirkungsweise von Geschichten

Wer die Wirkungsweise von Geschichten ergründen will, könnte in der Steinzeit anfangen und bei den Erkenntnissen der modernen Hirnforschung enden. Oder andersherum.

Jedenfalls ist klar: Wenn wir eine Geschichte hören (lesen, sehen), verändert sich die Neurochemie unseres Gehirns. Diese Eigenschaft hat sich mit unserer Art entwickelt. Sie unterscheidet uns von den Affen und ist Teil unseres Menschseins.

Unsere neuochemische Empfänglichkeit für Geschichten ermöglicht uns das Zusammenleben in größeren Gruppen und damit die Entwicklung der Zivilisation.

Storytelling-Hormon Cortisol

Grundlage jeder Story ist ein Konflikt oder ein Problem. Das bewirkt beim Publikum die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Wir nehmen das als Spannung war: Unsere Aufmerksamkeit wird dadurch auf den weiteren Verlauf der Geschichte gerichtet.

Das war schon in der Steinzeit so. Wenn die Horde ums Feuer saß und ein fettes Mammut verzehrte, dann sagten die Jäger nicht einfach: „Wir haben es mit Fackeln in die Schlucht getrieben und von oben Felsen heruntergewuchtet – lasst es Euch schmecken!“

Sondern sie schildern die Probleme der Jagd: Dass sie lange kein Mammut fanden… Dass das Tier in letzter Sekunde fast noch entkommen wäre… Dass die Felsen oberhalb der Schlucht so schwer waren, dass die Jäger sie fast nicht vom Fleck bewegen konnten… Dass das Mammut, als die Jäger schon glaubten, es sei tot, noch am Leben war und mit seinen Stoßzähnen einen von ihnen fast erwischt hätte…

Die Zuhörer schütten Stresshormone aus – und lauschen gebannt. Und da haben wir auch schon die „Emotionalität“ – damit ist im Zusammenhang mit Storytelling jede unwillkürliche innere Bewegung gemeint. Zum Beispiel gespannte Aufmerksamkeit.

Storytelling-Hormon Oxytocin

Die Mitglieder der Steinzeithorde identifizieren sich mit den Jägern und wollen wissen, wie die Geschichte weitergeht – obwohl sie den Ausgang kennen. Schließlich essen sie das erlegte Tier gerade.

Im Zuge der Identifikation mit den Jägern wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet. Wiederum „Emotionalität“: Oxytocin lässt uns Vertrauen zu anderen empfinden. Durch Oxytocin spüren wir Verbundenheit mit anderen Menschen. Wir fühlen mit ihnen – und wollen mit ihnen kooperieren.

Ohne Vertrauen keine Kooperation, ohne Kooperation kein Überleben: Darum ist dieses Hormon so wichtig. Oxytocin ist ein Hauptgrund, warum Geschichten uns bewegen und zu Taten animieren können.

Happy End mit Dopamin

Und dann das Happy End! Das Mammut haucht seinen letzten Atem aus… Von einem guten Ausgang einer Story zu hören, mit deren Helden wir uns identifizieren, führt zur Ausschüttung des Neurotransmitters Dopamin. Das ist der Botenstoff, der für das Gefühl der Belohnung zuständig ist und uns Wohlbefinden und Optimismus schenkt.

Obwohl wir das Mammut gar nicht selbst erlegt haben, fühlen wir uns dank der Dopamin-Ausschüttung nunmehr stark, kompetent und mutig.

Weil sie eine Geschichte erzählt haben, konnten die Jäger mehr erreichen, als nur etwas zu Essen heranzuschaffen: Sie konnten ihren Status in der Horde erhöhen oder festigen.

Andersherum formuliert: Sie haben ihre Zuhörer motiviert eine bestimmte Haltung einzunehmen und sich entsprechend zu ver-halten – und zwar, den Jägern (noch) mehr Respekt entgegenzubringen.

Storytelling funktioniert auch mit kleinen Geschichten

Das klappt nicht nur, wenn das Ziel „Respekt“ heißt, sondern bei jeglicher menschlichen Haltung und jeglichem menschlichen Verhalten: Motivation lässt sich am Besten über Geschichten erzeugen.

Aber es müssen keine großen sein.

In Wirklichkeit kann eine Geschichte klein sein und trotzdem funktionieren. Für eine gute Geschichte braucht es nur zweierlei: einen Konflikt (oder ein Problem) und eine Lösung.

Wobei ein Problem auch ein Konflikt ist: Was hier nicht harmoniert, ist der Ist-Zustand einer Sache oder Situation einerseits. Und andererseits die Vorstellung, wie wir diese Sache oder Situation gern hätten.

In diesem Post zum Beispiel habe ich den Konflikt gleich im ersten Absatz aufgezeigt: Der Begriff „Storytelling“ ist gut – aber es ranken sich Missverständnisse darum. Das ist ein Problem.

Nun zur Lösung. Wie funktioniert es wirklich, das Geschichtenerzählen?

Die Struktur von Geschichten

In diesem Post sind schon Shakespeare und Aristoteles aufgetreten. Klassische Storytelling-Regeln, die bis in die Antike zurückgehen, besagen: Eine Geschichte braucht eine Einleitung, einen Hauptteil und ein Ende.

Und in Shakespeares Dramen treffen wir auf eine Aufteilung, die fünf Akten entspricht:

  1. Einleitung
  2. zunehmende Spannung
  3. Klimax (der Wendepunkt)
  4. abfallende Spannung (aber noch keine Lösung)
  5. Schluss (Auflösung)

Das Entscheidende bei beiden Modellen: Innerhalb des Rahmens von Anfang und Ende findet eine Veränderung statt. Situationen und Menschen verändern sich – sie sind am Ende nicht mehr wie am Anfang.

Die Veränderung wird durch einen Konflikt, ein Problem ausgelöst, siehe oben. Man spricht von Veränderungsdruck, in der Psychologie von Leidensdruck.

1. Beispiel Storytelling für B2B: Case Studies

In der B2B-Kommunikation kommt Storytelling in Reinform in Case Studies zum Einsatz – auch Success Stories oder einfach Projektberichte genannt.

Am Anfang steht die Ausgangslage: das Problem des Kunden.

Mittelteil: die Anforderungen an die Lösung werden definiert, die Implementation der Lösung beschrieben.

Das Ende: ein positives Fazit – Problem gelöst, alles läuft bestens.

2. Beispiel Storytelling für B2B: Präsentationen

Oder nehmen wir einen anderen Klassiker der B2B-Kommunikation: die Power-Point-Präsentation. Auch eine gute Präsentation folgt den Gesetzen des Storytelling und baut einen Spannungsbogen auf.

Der Konflikt liegt hier meistens zwischen dem Ist-Zustand und dem gewünschten Zustand:

„Die Umsätze sind zuletzt um sechs Prozent gestiegen – mit einer Erweiterung unserer Produktpalette könnten sie um zwölf Prozent wachsen.“

„Die Aktienkurse sind eingebrochen – durch Konzentration auf unser Kerngeschäft können wir ein positives Signal an die Märkte senden.“

Indem er seinen Zuhörern als erstes den Ist-Zustand schildert, zeigt der Vortragende ihnen, dass er und sein Publikum die Welt aus derselben Perspektive sehen. So entsteht ein Vertrauensverhältnis (Oxytocin!). Wenn der Vortragende dann einen wünschenswerten, aber derzeit nicht erreichten Zustand schildert, entsteht Spannung (Cortisol).

Eine gute Präsentation hat einen Spannungsbogen, der sich über den ganzen Vortrag vom Anfang bis zum Ende wölbt. Zugleich kann sie mehrere kleinere Spannungsbögen aufbauen, indem sie sich Aspekte des Problems und Aspekte der Lösung vornimmt: „Wir brauchen deutlich mehr Spezialisten für diese Aufgaben – viele unserer Mitarbeiter sind grundsätzlich dafür geeignet, wir werden sie entsprechend ausbilden.“

Das Ende einer solchen Präsentation malt noch einmal den gewünschten Zustand aus – und sagt, was jetzt konkret zu tun ist (Call to Action). Aufgrund der Dopamin-Ausschüttung bei der Schilderung des Happy Ends (auch wenn es noch in der Zukunft liegt), fühlen sich die Zuhörer stark und der Herausforderung des Calls to Action gewachsen.

Drei Schritte für ein Feuerwerk an Botenstoffen

Um mit Storytelling Emotionen zu wecken, ist es also nicht nötig, auf die Tränendrüse zu drücken, Hundewelpen auftreten zu lassen oder einen Kabarettisten zu engagieren. Es reicht,

  1. eine gemeinsame Perspektive aufzuzeigen und damit Identifikation hervorzurufen,
  2. einen Spannungsbogen durch einen Konflikt aufzubauen (wegen eines Problems oder des Gegensatzes zwischen Ist- und Ziel-Zustand), und
  3. ein Happy End zu präsentieren, das durchaus noch in der Zukunft liegen kann. Dadurch wird das Publikum mit einer Dopamin-Ausschüttung belohnt. Und somit motiviert, das zu tun, was es tun soll. Was auch immer das ist.

Und wie verhält es sich mit dem oft gehörten Rat, zur Einleitung eine persönliche Anekdote zu erzählen?

Da ist was dran: Wenn wir unser Publikum an unseren Erfahrungen teilhaben lassen, erleichtern wir ihm die Identifikation – und wenn wir unsere Erfahrungen in Form einer Geschichte weitergeben, lösen wir von Anfang an genau das Feuerwerk an Botenstoffen im Gehirn unserer Zuhörer aus, das wir dort brauchen.

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2 Comments

  1. Kirsten Wenzel Says :
    Posted on 17. Mai 2016 at 17:31

    Begeistert appaudiert – deine Freundin Kirsten aus Berlin!

    • Kathrin Schirmer
      Posted on 17. Mai 2016 at 17:43

      Danke für die Blumen 🙂