Autor: Stefan Hanitzsch
Spoiler: Das Wort „nicht“ hat nicht die Wirkung, die wir ihm gern anvertrauen. „Kein Problem“, sagen Sie? Kommt darauf an! Das Wort „kein“ ist genauso schwach wie sein Kollege „nicht“. Stefan Hanitzsch erklärt in diesem Essay, warum wir die Wirkung einiger der häufigsten kleinen Wörter überschätzen. Und diese Wörter so platzieren, dass ungünstige Bilder im Kopf unserer Leser entstehen.
Beispiel Copywriting
Gute Werbetexte werfen ein Licht auf ein Produkt und regen Menschen an, es zu kaufen, um all seine Vorteile zu genießen. Über dieses Ziel schießen manche Kampagnen hinaus, wenn sie betonen, was das Produkt gerade nicht „können“ soll. Zum Beispiel, wenn es in einer Werbeanzeige heißt
„Es handelt sich hier um keine Abzocke!“
Welches Vertrauen will die Firma damit fördern? Weckt sie nicht vielmehr einen Verdacht?
Beim Kunden soll natürlich ankommen: „Es gibt schwarze Schafe, aber das sind die Anderen.“
Kommt es an? Davon abgesehen, dass der Leser sich fragen könnte, warum die Anzeige die Klarstellung für nötig hält, verbindet sein Unterbewusstsein für alle Zeit die „Abzocke“ mit dem Namen der Firma und des Produktes. Genau das Gegenteil von dem, was sie erreichen wollte! Nicht?
Vertrauen entsteht, wenn wir lesen:
„Unsere Firma arbeitet stets sauber und wir bieten Ihnen das ehrlichste Produkt der Welt zu einem anständigen Preis.“
Ob das stimmt, wird durch den Satz nicht geklärt, aber hier verbindet das Unterbewusstsein Gutes mit Produkt und Hersteller.
Theorie 1: Der Elefant im Hof
Wir erleben die Welt in Bildern, nicht in Füllwörtern. Freilich können die Begriffe „nicht“ und „kein“ bärenstark sein:
„Du darfst heute nicht zum Fußballspielen, weil du gestern die Schule geschwänzt hast.“
In dem Fall übt das Wort „nicht“ die Rolle eines Henkers aus, was die Pläne des Strawanzers angeht. Wir dürfen es nur nicht überschätzen und die Macht der Bilder ignorieren.
Bitte beobachten Sie beim Lesen der nächsten beiden Sätze, was Sie vor Ihrem geistigen Auge wahrnehmen:
„Im Hof steht ein rosa Elefant.“
„Im Hof steht kein rosa Elefant.“
Sicher können Sie sich einen Hof ohne Elefant vorstellen – gut möglich, dass Sie viele Höfe dieser Art kennen. Aber gelingt es Ihnen, das Wort „Elefant“ zu lesen, ohne an ihn zu denken?
Theorie 2: Bingo? Bingo!
„Energy flows where attention goes.“
Forscherinnen haben gemeinsam mit ihren Kollegen herausgefunden, dass wir uns langsamer bewegen, wenn wir das Wort „Bingo“ hören.
Zwei Gruppen von Menschen, die nicht wussten, was an ihnen erforscht wird, sollten in einem Raum Aufgaben lösen und dann einen anderen Raum aufsuchen. Die ihnen unbekannte Forschungsfrage lautete: Wer braucht länger und warum?
Regelmäßig gelangte die Gruppe, die das Wort „Bingo“ gelesen hatte, etwas später ans Ziel.
Da wir uns mit unseren Mitmenschen solidarisieren, bewegen wir uns prompt langsamer, wenn wir an ein Hobby denken, das wir mit älteren Menschen verbinden.
Diese Erkenntnisse dienen nicht nur Coaches und Psychotherapeutinnen – wir können sie für die Kommunikation in Werbung oder PR nutzen. Oder auch nicht.
Beispiel Gott und sein irdisches Personal
Anlässlich seiner Ernennung sagte vor ein paar Jahren Kardinal Reinhard Marx: „Ich bin nicht der deutsche Papst.“
Schön bescheiden. Wirklich? Unser Hirn hat im nächsten Moment die semantische Präzision weit hinter sich gelassen und folgendes Duo gespeichert: „Kardinal Marx – deutscher Papst“.
Ob der damals frischgebackene Chef der deutschen Bischofskonferenz das bezwecken wollte, weiß allein der liebe Gott – und vielleicht der „deutsche Papst“ selbst.
Beispiel Fussball
Ist seine Mannschaft vom Abstieg bedroht, sagt der Trainer:
„Wir werden den Klassenerhalt schaffen!“
Das entscheidende Wort ist der „Klassenerhalt“. Wer das nicht einsieht, wird vielleicht so formulieren:
„Wir geben alles, um nicht abzusteigen.“
Alles leider nicht: sprachpsychologisch ist das nicht erstklassig, da der Trainer den „Abstieg“ in die Köpfe der Spieler und Fans klebt.
Anlässlich des nächsten Korbes eines Wunschtrainers für den FC Bayern München erklärte der Wurstfabrikant und un-heimliche Vereinschef Uli Hoeneß: “Die Welt beim FC Bayern wird deshalb nicht untergehen.” Das wohl nicht, aber Optimismus klingt anders.
Beispiel Politik
Der Satz „Wir lassen uns von der AfD die Demokratie nicht kaputtmachen“ von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist zwar inhaltlich richtig, sprachpsychologisch jedoch ungünstig.
Positiv ist, dass er den Zusammenhang herstellt zwischen der Zerstörung der Demokratie und der völkischen Partei, die in Teilen laut Verfassungsschutz „als gesichert rechtsextrem“ gilt.
Wenn das Ziel die „Rettung der Demokratie“ oder der „Erhalt eines friedlichen, gerechten Zusammenlebens“ ist, dann darf man es jedoch ruhig sagen.
Beispiel Maschendrahtzaunkönigreich
Sie können das Prinzip umgekehrt für Gemeinheiten gut nutzen. Vielleicht bei einem Streit über den expandierenden Maschendrahtzaun der Nachbarn?
Rein fiktiv: Wenn Sie Ihrer Nachbarin mitteilen, Sie würden sie „sicher nicht als Vollidiot bezeichnen“, da Ihnen aber „leider“ nichts Schöneres einfalle, „lieber schweigen“, haben Sie ihr sauber eine betoniert, ohne, dass Ihre Nachbarin rechtliche Handhabe hätte, sich zu wehren.
Rechnen Sie bitte nicht unmittelbar mit der Aufhellung der bilateralen Beziehungen an der Maschendrahtzaungrenze.
Beispiel Medien
Eine Hetzkampagne, die fast bös geendet wäre, hatte das Ziel, die stellvertretende Chefredakteurin der „Süddeutschen Zeitung“ als Journalistin zu vernichten. Vorwand: Man unterstellte Alexandra Föderl-Schmid, sie habe bei Ihrer Dissertation nicht sauber gearbeitet.
Ob die Hetzer politisch motiviert waren, lässt sich nicht nachvollziehen. Aber die Hatz auf Menschen ist charakteristisch für Links- wie Rechtsextreme in Medien und Politik.
Fakt ist: Föderl-Schmid wurde massiv angegriffen und dann von ihrer Universität entlastet. Leider haben auch Menschen, die der Dame gewogen sind, dies teils unklug kommuniziert:
„Föderl-Schmid: Kein Plagiat!“, war oft zu lesen, gepaart mit dem unglücklichen Original-Zitat der Alma Mater: Die Uni Salzburg erklärte, „kein relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten“ entdeckt zu haben.
Es gäbe Formulierungen, die das Gleiche sagen, ohne die belastenden Begriffe länger mit dem Namen der Angegriffenen zu verschweißen:
„Frau Dr. Föderl-Schmid hat in aller Regel sauber gearbeitet. Ihre wissenschaftliche Integrität ist intakt.“
Beispiel IKEA
Bei IKEA spielen die Kollegen in ihrer aktuellen Kampagne bewusst mit dem zweischneidigen Auftreten des Wortes „nicht“ und streichen es durch: „Bitte nicht zuhause nachmachen!“ wird „Bitte nicht zuhause nachmachen!“
Probieren Sie es aus, wenn Sie den Gatten oder Ihre Partnerin an den Autoschlüssel erinnern: „Denk an den Schlüssel“ erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Herr oder die Dame ihn ja nicht vergisst, sondern stets bei sich trägt.
Mit dem Schlüssel zu einer erfolgreichen, positiv konnotierten Kommunikation verhält es sich ähnlich: Vergessen Sie nicht, welche unbewussten Bilder Ihre Worte hervorrufen.
Korrektur: Denken Sie daran, welche unbewussten Bilder Ihre Worte hervorrufen! Denn dann können sie ihre Wirkung am besten nutzen.
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